Sophia in Indien

Sophia Simon engagiert sich als Volontärin in der SONNE-Schule Bodghaya

Eintrag vom 01.04.2019

Mit unserem Health Camp sorgen wir für die Gesundheit unserer SONNE-SchülerInnen

Namaste- ein herzliche Hallo aus Bodghaya!

Letzten Freitag fand zum 2. Mal unser neu eingeführtes „Health Camp“ statt. Ich möchte gerne ein bisschen ausführlicher darüber berichten.

Was ist das „health camp“ eigentlich?

Das health camp bietet den Kindern der Buddha Educational Foundation Schulen- welche von SONNE-International unterstützt werden- die Möglichkeit, 1 Mal im Monat von einem Arzt untersucht und wenn nötig medikamentös behandelt oder zu Spezialisten überwiesen zu werden.

Für den Großteil der Bevölkerung gestaltet sich der Zugang zu medizinischer Versorgung sehr schwierig. Sei es aus logistischen oder finanziellen Gründen. Es gibt zwar vor Ort die Möglichkeit, sich kostenlos untersuchen zu lassen- die Medikamente müssen dann aber meist bezahlt werden, oder/und weisen eine minderwertige Qualität auf.

Für unsere Visiten arbeiten wir mit Dr. Si Ahmad zusammen, welcher die Kinder untersucht. Begleitet wird er immer von einer Krankenpflegeperson, welche die Verschreibungen entgegennimmt, die Medikamente verteilt und die Andwendungsweise erklärt. Die Kinder kommen an diesen Tagen in Begleitung eines Elternteils in die Schule, da die meisten Beschreibungen der Medikamente auf Englisch sind, die Erziehungsberechtigten speziell der ländlichen Bevölkerung in der Regel der englische Sprache nicht mächtig sind und somit die richtige Einnahme einem Erwachsenen beschrieben werden muss.

Dr. Si ist ein sehr freundlicher Arzt, welcher sehr flink arbeitet. Rund 145 Kinder konnten bei jeder Visite begutachtet werden. Eine ganze Menge wie ich finde. In meinem ersten Bericht habe ich bereits erwähnt, dass mich die Weise der Diagnosestellung – fern ab vom Standard, welcher in westlichen Arztpraxen, oder Krankenhäusern Usus ist- begeistert! Kreativität ist gefragt! So wird ein Stab, welcher im Sportunterricht zur Höheneinstellung dienst als Größenmesser benutzt, eine normale Taschenlampe um Augen, Hals und Ohren näher zu inspizieren, oder die Verpackung der Taschenlampe, um einen Sehtest durchzuführen.

Welche Erkrankungen kommen hier so vor?

Die meisten Krankheiten resultieren aus den Problemen der Mangelernährung ( Vitaminmangel, Krämpfe, Schmerzen, Wachstumsstopp, Anämie, Unterernährung, geschwächtes Immunsystem, …) und des niedrigen Hygienestandards (oft keine Sanitären Anlagen vorhanden, kein sauberes Wasser, niedriges Gesundheitswissen/ Gesundheitsbewusstsein Abdominelle Beschwerden, Infektionen,…). So zählen zu den meisten Diagnosen und berichteten Beschwerden der Patienten: Schwäche, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Husten, Schnupfen und Fieber. Gefolgt von Hörproblemen, Wurmbefall, Kopfschmerzen, Schwindel, Anämie und Hauterkrankungen.

Liegen spezielle, oder schwerere Erkrankungsfälle (ausgedehntere Infektion, schwere Blutarmut, …) vor, werden die Patienten an weiterführende Stellen verwiesen.

Weiters nutzen wir die Visite, um Gesundheitsbildung zu betreiben- speziell bezüglich Ernährung. Punktuell den Welthunger zu bekämpfen gestaltet sich schwierig, aber durch Wissensvermittlung und Bewusstseins-schaffung kann man die Nahrungsmittel, welche vorrätig sind, gezielter einsetzen. Das heißt, die Eltern erhalten Informationen über eine qualitätvolle, gesunde, ausgewogene Ernährung, um manche Mangelerscheinungen zu unterbinden. Auf Grund der hier herrschenden Armut und Lebenssituation ist zwar manchmal der Zugang zu „guter“ Nahrung nicht gegeben, oder es gilt als oberste Prämisse: Hauptsache es werden alle satt und es füllt den Magen- aber wenn eine Auswahl an Lebensmittel vorhanden ist, dann sollten und wollen wir Bewusstsein schaffen, welche Nahrungsmittel der Gesundheit und dem Wachstum dienlich sind.

2 weitere kulturelle Aspekte konnte ich noch bemerken:

Zum einen scheint hier das Geburtsdatum keine so große Bedeutung zu haben. Teilweise wussten die Väter nicht das genaue Alter der Kinder. In Gesprächen wurde mir dann vermittelt, dass das Geburtsdatum wohl wichtig wäre, aber oft nicht bekannt- oder nur geschätzt sei, wenn die Eltern über keinen entsprechenden Bildungsstatus verfügen- in diesem Falle Analphabeten sind. Auch kam mir so vor, als würde das Geburtsmonat vernachlässigt werden. So gilt zum Beispiel ein Junge, welcher im Okt. 2009 geboren ist, bereits heute als 10- jährig. Dies war auch ein Irrglaube- es handelt sich um keine landesinterne Regel, sondern „lediglich“ um immer wiederkehrende Rechenfehler.

Dass öffentlich nicht über Liebe und Sexualität gesprochen wird, war mir bewusst. So war ich „überrascht“, dass der Arzt, als die jungen Damen visitiert wurden (11-13 Jahre), anmerkte, dass Bauchschmerzen, Schwindelgefühl, …auch auf die hormonelle Umstellung und eventuelles Einsetzen der Menstruation zurückzuführen sei. Dies konnte aber nicht besprochen werden, wenn die Mädchen von ihren Vätern begleitet wurden. Prinzipiell scheint diese „öffentliche Visite“ im Allgemeinen kein geeigneter Rahmen für solche Gespräche zu sein.

Sehr positiv ist mir aufgefallen, dass auch sprachlich stark beeinträchtigte/ stumme, oder (fast) taube Kinder selbstverständlich mitunterrichtet werden, genauso wie Kinder mit anderen geistigen und körperlichen Behinderungen. Leider war dieses Mal keine Zeit, um direkt nach der Behandlung, „Fördermöglichkeiten“, bisherigen Therapie, oder allgemeinem Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu fragen.

Umso mehr freue ich mich schon sehr auf das nächste Health Camp, um zu sehen, was sich bei den jungen Patienten verändert hat, ob die Behandlungen gefruchtet haben, um weiter Diagnosetechniken erlernen zu können und Antwort auf eine Vielzahl an kulturell- medizinisch- soziologischen Fragen zu erhalten.