Das SONNE-Interview
Erfried Malle spricht mit Armin Mösinger über seine erste Projektreise in die äthiopische Afar-Region
Erfried: Armin, seit 10 Jahren bist du für die SONNE aktiv. In deiner jetzigen Funktion als Projektmanager betreust und bereist du vor allem unsere Projektländer Indien und Myanmar. Erstmalig bist du nun mit mir nach Äthiopien gereist, um dir unsere Projekte vor Ort anzusehen. Welche Gedanken sind dir vor deiner Abreise durch den Kopf gegangen?
Armin: Ich war natürlich schon sehr gespannt darauf, unsere Projekte in Äthiopien endlich mit eigenen Augen zu sehen und unsere lokalen KollegInnen persönlich kennen zu lernen. Durch deine Erzählungen hatte ich zwar schon bestimmte Vorstellungen, aber selbst vor Ort zu sein ist immer etwas anderes. Da meine letzte Reise auf den afrikanischen Kontinent, damals noch als Ingenieur, schon über 14 Jahre her war, war ich sehr gespannt, inwieweit sich die Herausforderungen der äthiopischen Gesellschaft von denen in Indien und Myanmar unterscheiden. Da unsere Projekte primär in der Wüste angesiedelt sind, war ich schon neugierig darauf, wie unser lokales Team die Projekte umsetzt. Meine Vorfreude auf die Reise war mit Bedenken hinsichtlich der Sicherheitslage vermischt und da es in unserer Projektregion immer wieder zu Dürrekrisen kommt, war mir auch klar, dass ich einer extremen Art von Armut begegnen werde. Das ist emotional nicht immer einfach, auch wenn wir in unserem Beruf natürlich permanent damit konfrontiert sind. Wer glaubt, dass man im Laufe der Zeit irgendwie emotional abgehärtet wird, der irrt sich!
Erfried: Wenn du dir die Lebenssituation der Afar-Nomaden an der eritreischen Grenze ansiehst und diese mit unseren asiatischen Projektländern vergleichst – was denkst du darüber?
Armin: Bei dieser Reise wurde mir wieder vor Augen gehalten, dass Armut viele Gesichter hat. Ich möchte mir nicht anmaßen, zu beurteilen, ob die Menschen in der Afar-Region ärmer sind als unsere Schützlinge in Asien, denn Armut ist meiner Meinung nach immer etwas Subjektives. Was ich aber sagen kann ist, dass ich in meinem Leben noch nie in einer Region gewesen bin, wo es so wenig Zugang zu Wasser, Medizin, Nahrung und Bildung gibt. Diese Menschen sind Pastoralisten und an ein nomadisches Leben gewöhnt, jedoch ist ihr traditioneller Lebensstil aufgrund klimatischer Veränderungen nicht mehr möglich und sie sind in dieser Steinwüste gestrandet. Weit abgeschlagen von jeglicher Zivilisation kämpfen sie im wahrsten Sinn täglich um ihr Überleben. Ich fühlte mich dort, als ob ich auf einem anderen Planeten gelandet wäre. Extreme Hitze, Staub, keine Vegetation, lethargische Menschen wandert ziellos herum und Sandhosen ziehen durch die Dörfer… Es war teilweise wie in einem Science-Fiction-Film, doch leider pure Realität.
Erfried: Nach all den Begegnungen und Erfahrungen, die du in der Afar Region gemacht hast, welche Konsequenzen ergeben sich für dich dadurch, welche Schlüsse ziehst du daraus?
Armin: WEITERMACHEN ! So traurig es klingt, aber das Überleben dieser Menschen ist hundertprozentig auf externe Hilfe angewiesen. Aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels sind sie nicht mehr in der Lage, nach ihrer Tradition in dieser Region zu leben. Diese Menschen sind nicht nur Dürreopfer, sie sind direkte Opfer der Klimawandels und es ist unsere Verpflichtung als westliche Gesellschaft, sie nicht im Stich zu lassen.
Erfried: Was wären deiner Meinung nach die nächsten wichtigen Schritte für die SONNE in Afrika? In welche Richtung soll sich unser Verein in nächster Zukunft bewegen?
Armin: Ich finde, dass wir auch in Afrika eigene Organisationsstrukturen aufbauen sollten, damit wir unabhängiger von unserem lokalen Projektpartner agieren können. So wären wir flexibler und könnten noch schneller auf Krisen und Katastrophen reagieren. In Myanmar, wo wir unsere eigene lokale SONNE-Organisation etabliert haben, hat sich gezeigt, dass es nachhaltig ist, eigenes SONNE-Personal vor Ort aufzubauen und selbstständig agieren zu lassen. Unser Mix aus nachhaltigen Bildungs- und Gesundheitsprojekten und kurzfristigen Hilfsmaßnahmen ist meiner Meinung nach der richtige Ansatz für die SONNE und wir werden und müssen uns kontinuierlich an die individuellen Bedürfnisse der hilfsbedürftigen Menschen anpassen.
Erfried: Du warst vor Ort vorrangig mit der Fotografie beschäftigt. Was ist das Besondere daran, ein Nomadenvolk zu porträtieren, das nur sehr wenig Zugang zur Moderne gefunden hat?