Erfrieds Bangladeschreise – Die Schulrettung auf dem Prüfstand
SONNE-Obmann Erfried Malle war im Februar 2024 wieder auf Monitoring-Reise zu unseren Bildungsprojekten in Bangladesch. Tauchen Sie ein in Erfrieds bewegenden Bericht über eine Reise voller Herz und Herausforderung. Erfahren Sie, wie Bildung auch in den entlegensten Winkeln Hoffnung bringt und wie Sie ein Teil davon werden können.
Am Ende der Reise gab es wie immer nur lachende Gesichter. Auch wenn in den 14 Tagen in Bangladesh nicht immer alles so rosig ausgesehen hat.
Im Laufschritt durch Bangladesch
Diesmal war es ein ausgesprochenes Monsterprogramm, das wir in nur 8 Tagen zu bewältigen hatten. Weil ich meiner neuen Schweizer SONNE-Kollegin Annemarie Guerts erstmals jedes einzelne unserer SONNE-Projekte in Bangladesch zeigen wollte, mussten wir uns gleich nach unserem 11-stündigen Flug auf den Weg machen.
Unser erstes Ziel waren die SONNE-Schulen in Jhenaigati im Norden von Bangladesch. Obwohl es bis dahin von Dhaka nur 260 Kilometer sind, dauerte die beschwerliche Autofahrt 8 Stunden lang. Erst gegen Mitternacht erreichten wir unser Hotel, das ich zwar gewohnt bin, das aber für erstmalige Bangladeschreisende doch etwas verstörend sein könnte.
Jedes Mal, wenn ich in dieser Gegend bin, muss ich wohl oder übel dort nächtigen, eine andere Herberge gibt es nicht.
Die Schönheit der Landschaft in Bangladesch und die Freundlichkeit der Menschen, die dort leben, faszinieren mich bei jeder Reise aufs Neue.
Die Stimmung trübt sich ein
Nach einem erholsamen, aber nur 6-stündigen Schlaf und einem schmackhaften bengalischen Frühstück ging es dann weiter zum grenznahen Ort Jhenaigati, wo unser Verein schon seit 2012 insgesamt 8 Dorfschulen für die dort lebenden Minderheiten betreibt.
Wegen des Smogs aus unzähligen Ziegelbrennereien bekamen wir bei wolkenlosem Himmel den ganzen Tag lang die Sonne nicht zu Gesicht. Für uns war es trotzdem ein schöner Tag, denn wir wurden, wo immer wir bei unseren Bildungsprojekten auftauchten, mit Blumen überschüttet und von unseren Schulkindern mit Liedern empfangen.
Ich wurde leider sehr bald mit der schockierenden Tatsache konfrontiert, dass an einigen Schulstandorten die Anzahl der Schüler:innen im letzten Jahr stark zurückgegangen ist (30%). Wie kann das sein, dass etliche SONNE Schulen nun nicht mehr zum Bersten voll sind?
Beim Betreten des Dorfes wurden wir von einer herzlichen Menschenmenge willkommen geheißen. Die fröhlichen Gesichter, die laute Musik – ein solcher Empfang erfüllt mich immer sofort mit Freude und Dankbarkeit. Es zeigt, wie tief wir hier in der Gemeinschaft verankert sind und ist eine Bestätigung für die Wichtigkeit unserer gemeinsamen Arbeit.
Eine Kostenbeteiligung ist für die armen Menschen nicht zu stemmen
Mein lokaler SONNE-Kollege Mamun (viele von euch kennen ihn bereits) erläuterte des Problem: Aufgrund finanzieller Engpässen sind wir gezwungen, seit Anfang 2023 ein geringes Schulgeld für alle Schüler:innen einzuheben und von jeder Dorfgemeinschaft die Kosten für ein Lehrer:innengehalt einzutreiben. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass so viele Eltern ihre Kinder deswegen nicht mehr zur Schule schicken können, doch die Armut in der Region hat seit der Corona- und Wirtschaftskrise stark zugenommen.
Weiterkämpfen, so lange es irgendwie geht
Ja, liebe Leserinnen und Leser, das ist nun die Realität, mit der wir vor Ort zu kämpfen haben. Wir müssen eine schwierige Entscheidung treffen: Sollen wir einfach ein paar Schulstandorte schließen, weil wir zu wenig Geld für den ordentlichen Betrieb zur Verfügung haben – oder sollen wir auch in den nächsten Jahren alles daran setzten, dass alle 20 Schulen weitergeführt werden können in der Hoffnung, dass die bengalische Regierung unsere Schulen doch irgendwann übernehmen wird? Für uns ist fix – wir werden weiterkämpfen, so lange es irgendwie geht.
In Bangladesch erlebte ich jeden Tag, wie Bildung Leben verändert. Kinder, die voller Elan und Hoffnung lernen, sind der Beweis dafür, dass Bildung die Kraft hat, den Kreislauf der Armut zu durchbrechen.
Die lebendige Atmosphäre in unseren bangladeschischen Klassenzimmern, umgeben von lerneifrigen Kindern, die herzliche Begrüßung durch eine mutige kleine Schülerin. Es sind diese kleinen Gesten der Freundschaft und Dankbarkeit, die mir immer wieder Mut und Hoffnung geben.
17 Stunden on the road
Nach unseren Schulbesuchen in 4 SONNE Dörfern nahmen wir unser gemeinsames Abendessen im Schülerinnenheim zu uns, bevor wir gegen 22 Uhr zu unserem Hotel gebracht wurden. Am nächsten Morgen starteten wir schon um 6 Uhr, denn wir hatten an diesem Tag insgesamt 526 km zurückzulegen.
Unser nächstes Ziel war Cox‘s Bazar, der wichtigste Ferienort des Landes, in dessen Nähe sich das weltgrößte Flüchtlingslager in Ukhyia/Kutupalong befindet. Die Straßenverhältnisse waren katastrophal, sodass wir einige Male wegen nicht enden wollender Straßenbauarbeiten in stundenlange, energieraubende Verkehrsstaus gerieten. Wir kamen erst spät in der Nacht an, es war einfach nur schrecklich. Der verzweifelte Gesichtsausdruck des Fahrers nach 17-stündiger Fahrt wird mir lange in Erinnerung bleiben!
Bei unserem Besuch im Rohingya-Flüchtlingslager konnten wir uns persönlich von der Wirkung unserer Gesundheitsprojekte überzeugen. Die Begegnung mit dem engagierten medizinischen Team und den Menschen vor Ort hat uns wieder einmal bewusst gemacht, wie wichtig unser Einsatz für Gesundheit und Wohlbefinden in diesem schwierigen Umfeld weiterhin bleibt.
Seit 2017 im größten Flüchtlingslager der Welt aktiv
Am nächsten Tag starteten wir erst gegen 10 Uhr. Wir besuchten im Flüchtlingslager unseren SONNE Health Post, den wir schon seit 2017 betreiben und der für mehr als 5000 Rohingya-Familien konzipiert ist. Vorrangig kümmert sich das Gesundheitspersonal hier um Frauen und Babys, aber es wird auch Hebammendienst, Aufklärung und Geburtsnachsorge betrieben.
Leider kam es bei der Rückfahrt wieder zu Verkehrsstaus, sodass wir erst nach 5 langen Stunden wieder in unser Hotel zurückkamen. Komplett erledigt entschieden wir uns, den nächsten Arbeitstag erst um 10 Uhr mit einem guten bangladeschischen Frühstück beginnen zu lassen, bevor wir uns einigermaßen erholt der Büroarbeit und der Diskussion widmeten.
Im bunten Trubel unseres SONNE-Schülerinnenheims war es eine Freude, von so vielen strahlenden Gesichtern umgeben zu sein. Nicht nur die traditionelle Kleidung leuchtet in allen Farben. Auch die Mädchen strahlen Hoffnung und Lebensfreude aus. Sie alle träumen von einer schöneren Zukunft und einem besseren Leben.
Das Schülerinnenheim ist eine Oase, in der junge Mädchen aus Bangladesch die Chance auf Bildung und persönliche Entwicklung erhalten. Die Einrichtung bietet ihnen nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Sicherheit und Stabilität fernab ihres ländlichen Geburtsorts.
Ein herzlicher Empfang nach 5 langen Jahren
Für die nächsten 3 Nächte ging es dann weiter in die Berge, nach Alikadam, wo wir schon seit 2004 insgesamt 10 Dorfschulen für 900 Kinder betreiben. Für mich war es besonders schön, dieses Gebiet nach 5 Jahren wieder einmal besuchen zu dürfen, denn aufgrund von grenznahen Sicherheitsproblemen war mir in den letzten Jahren die Reise dorthin untersagt.
Die Dorfbewohner waren hoch erfreut, mich, der die Schule in die Dörfer gebracht hatte, nach so langer Zeit wieder einmal zu sehen. Es gab Musik, Blumen und ein ganz besonderes Mittagessen im Haus des Dorfältesten, der die Arbeit unserer SONNE besonders schätzt und alles daran setzt, damit die SONNE-Schulen den Kindern auch in Zukunft Zugang zu Bildung ermöglichen.
Anne war sehr gerührt von der unglaublichen Gastfreundschaft dieser Menschen. Ich kannte diese Art der Dankbarkeit ja schon. Für mich hat sich wieder einmal gezeigt, wie wichtig es ist, dass Kinder auch in den entlegensten Teilen der Welt Zugang zu Schulbildung haben.
Nach dem Festmahl machte noch der „Jungle Juice“ die Runde, der mit seinen 60% Alkoholanteil nur in kleinen Mengen genossen werden kann
Ihre Unterstützung wird weiterhin dringend benötigt
Das größte Problem konnte ich während dieser Reise leider nicht lösen, denn den Geldmangel im Projekt können wir offenbar nicht dadurch kompensieren, dass wir von den Dorfbewohnern Schulgebühren für ihre Kinder eintreiben, da die Minderheiten in Bangladesch nach wie vor die am stärksten benachteiligte und ärmste Volksgruppe des Landes sind.
Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als Sie, liebe LeserInnen, darum zu bitten, uns bei unserem Vorhaben – die Schule auch weiterhin zu den Kindern zu bringen – zu unterstützen. Vielen Dank im Vorhinein!
Herzlichst, Ihr
Erfried Malle