Sophia in Indien
Sophia Simon engagiert sich als Volontärin in der SONNE-Schule Bodghaya
Eintrag September 2019
Eine Abschiedsbotschaft von Sophia!
„…nach Indien wird man gerufen“. Diesen Satz gab mir eine Bekannte vor circa 1 Monat mit auf den Weg- und ich kann rückblickend nur mit Zustimmung reagieren. Vielleicht haben es einige von euch bereits im letzten Video mitbekommen, aber für mich ist nach 7.5 Monaten die Zeit in Bodhgaya im SONNE- International – Projekt fürs erste einmal vorüber. Ich würde euch gerne teilhaben lassen an meinem „Werdegang“ und meinem Resümee.
Aus dem Kongo nach Indien
Die Arbeit mit SONNE- International war nicht mein erster Einsatz mit einer NGO. Bereits 2013 nahm ich an einer „mission“ in der demokratische Republik Kongo für „Ärzte ohne Grenzen“ Teil. Ist man einmal mit diesem Virus infiziert, kommt man in der Regel nicht so leicht los davon. Prinzipiell liebe ich das Reisen, andere/ „fremde“ Kulturen, Abenteuer, neue Herausforderungen, … . Von Zeit zu Zeit wird mir Österreich immer zu klein und zu eng und der Ruf der Ferne immer lauter. Seit meiner Rückkehr vom Kongo im Jahr 2014 hatte ich mehrere Momente in meinem Leben in welchen ich verspürte, dass es wieder einmal Zeit ist zu gehen. Aus privaten oder beruflichen Gründen ist dies nicht immer sofort möglich, oder unpassend, aber ist die Zeit überreif, kann ich aus meiner Haut nicht heraus- muss meine Sachen packen und mich auf Reisen begeben. Die derzeitige Situation in Österreich und andere Umstände haben mir den diesmaligen „Absprung“ enorm erleichtert,- eigentlich notwendig gemacht. So streckte ich meine Fühler aus, wo es mich denn hin verschlagen könnte.
Mein Traum war immer Südamerika. Ich hatte bereits ein passendes Projekt auf den Galapagosinseln, oder Ecuador gefunden, jedoch gab es dann mit der Organisation Unstimmigkeiten und ich ließ von dieser Idee ab. Natürlich hätte ich wieder auf Einsatz mit MSF (Ärzte ohne Grenzen) gehen können, doch es war mein Wunsch mich ein wenig von meinem Job als Krankenpflegerin zu distanzieren. Deshalb machte ich mich auf die Suche nach anderen österreichischen NGO’s. Eigentlich habe ich gar nicht lange gesucht. Eine Mitarbeiterin von SONNE- International war vor einiger Zeit in einer Band mit mir und ich erinnerte mich an ihre Erzählungen bezüglich der Arbeit und Projekte dieser Organisation. Mir blieb etwas von Bildung hängen- und genau so etwas wollte ich machen.
Es war bereits Jänner 2019, als ich den Kontakt zu SONNE- International suchte. Mit Ende Februar endete mein damals bestehendes Arbeitsverhältnis, die Wohnung war gekündigt, mein Hab und Gut verkauft und das meiste Administrative war geregelt- „was halt so ansteht“, wenn man plant für längere Zeit ins Ausland zu gehen. – und ich spürte, dass es ein längerer Abschied werden würde. Nun fehlte nur noch ein Ziel. Bereits beim Erstkontakt mit SONNE- International am Telefon fühlte „es“ sich gut und richtig an. Es wurde mir von den Projekten, welche „derzeit zur Verfügung stehen“ berichtet. Ich erzählte ein wenig über mich und meine Pläne. Wir vereinbarten, dass noch mit anderen Mitarbeitern Rücksprache gehalten wird, um zu filtern, ob und wo man mich den am meisten brauchen und am besten einsetzen könnte. Zu dem Zeitpunkt kristallisierte sich bereits heraus, dass am ehesten eine Möglichkeit in Indien besteht. Vom Projekt an sich war ich sofort angetan und konnte mich sehr gut in dieser Rolle sehen, welche von mir erwartet werden würde.- Aber Indien?!…- das war eigentlich so gar nicht meine Richtung- bzw. hatte ich dieses Land nie am Schirm. Nach einigen Tagen des Überlegens war mir aber klar, dass ich dies jetzt einfach ausprobieren sollte.
Ich werde es nicht bereuen.
Indien: Zwischen „Traumbild“ und Kulturschock
Bereits im ersten Blog schrieb ich meine Eindrücke und positiven Erfahrungen nieder. Genauso in meiner Zwischenbilanz nach drei Monaten.
Jetzt, nach mehr als einem halben Jahr haben sich meine Eindrücke gefestigt, wobei ich mich nur auf die Regionen beschränken kann, in welchen ich mich aufhielt- und ich habe nur einen Bruchteil des Landes entdeckt. Im Austausch mit anderen Menschen kristallisierte sich heraus, dass man entweder Indien- Liebhaber, oder Indien- „Hasser“ ist und nach wie vor gewisse Klischees und Vorurteile vorherrschen.
„In Indien ist es dreckig und es stinkt“- ein oftmals gehörtes Statement. Ja. Die hygienischen Bedingungen sind hier anders, aber auch der gesamte Background. Ich habe bereits einmal beschrieben, dass alleinig Bihar, der Staat, in dem ich tätig war, größer als Österreich ist- und zum Beispiel die Stadt Bangalore im Süden Indiens fast gleich viele Einwohner hat wie ganz Österreich. Nicht umsonst wird Indien als Subkontinent bezeichnet. Wenn man sich die Verwaltungsschwierigkeiten von Österreich anschaut, kann man sich vielleicht vorstellen oder erahnen, was dies auf die Größe von Indien gerechnet bedeutet. „Erschwerend hinzukommend“ die ganze Geschichte Indiens. Anhand der Resonanz auf meine Bilder und Blogeinträge kann ich behaupten, dass nun einige Menschen in meinem Bekanntenkreis ein anderes Bild fernab vom „typischen Indien- Klischee“ haben. Dies freut mich!
Ich wünsche mir noch mehr von diesem Land kennen lernen zu dürfen. 2012 hätte ich es fast bereist, da ein Freund unbedingt hier her wollte, aber von Asien- erfahrenen- Reisenden wurde uns geraten mit einem moderateren Land wie Thailand zu starten, da Indien „so ein Kulturschock“ sei.- Diese Menschen hatten nicht ganz unrecht. Indien ist anders. Natürlich kommt es immer auf die eigene Persönlichkeit an. Mich stellte das vorherrschende Klima vor eine große Herausforderung. Speziell ab April war es in Bodhgaya sehr heiß- und gerade jetzt um die Zeit der Regenzeit auch sehr schwül, sodass ich wirklich gesundheitliche Probleme bekam. Es fehlte mir auch das frische Wasser aus der Leitung, die Möglichkeit ohne Bedenken frisches Obst und Gemüse zu konsumieren- obwohl die indische Küche eine wunderbare Vielfalt an vegetarischen Gerichten bot. Mir fehlte es auch, einfach klare, frische Luft zu atmen und es einfach „clean“ zu haben. Damit will ich gar nicht sagen, dass es vor Ort per se unsauber war, aber jeder, der schon mal „Wüstengegenden“ bereist hat weiß, dass der „Staub“/ Sand einfach überall hinkommt. Wenn noch etwas Regen hinzukommt ist es schnell matschig. Es ist heiß- man trägt nur Flip Flops oder Sandalen. Natürlich ist es klar, dass die Füße meist „schmutzig“ sind. Der Sand juckt, man kratzt sich. Die Nägel sind verunreinigt. Aber wie bereits erwähnt, ist Indien groß und es gibt genug Wald und Bergregionen hier, welche eine wunderbare klare Natur liefern. Diese bereiste ich zwischendurch, um wieder Energie zu tanken und etwas zur Ruhe zu kommen. Es sind einfach sehr viele Menschen hier und der Lärmpegel ist konstant hoch. Ich vermisste es auch manchmal einfach „legere“ Kleidung zu tragen, also zum Beispiel ein kurzes Sommerkleid, oder im Bikini schwimmen zu gehen. Dies wäre in Bodhgaya aus kulturellen Gründen undenkbar, aber es gibt auch Regionen, in welchen dies möglich ist.
Manchmal hatte ich auch ein Problem mit dem Zeitbewusstsein der Menschen hier. Die Uhren gehen langsamer- oder einfach anders. Natürlich kann man wieder nicht das ganze Land über einen Kamm scheren. Mumbai zum Beispiel ist eine Metropole, welche niemals schläft und Pünktlichkeit und Verlässlichkeit wie in Europa vorherrschen. In Bodhgaya kostete es etwas an Arbeit einen Hauch von Vorausplanung einzuführen. Mir persönlich tat es sehr gut, dass das zeitliche Muster anders gestrickt war. Eine willkommene Abwechslung zu Europa. Das Leben besteht nicht nur aus Druck und Arbeit. Natürlich mag das Ganze auch mit der Perspektive zusammenhängen. Also auch wenn man hier alles in dreifachem Tempo erledigen würde, hätte es wahrscheinlich „global gesehen“ keinen rechten Einfluss auf schnelle Veränderungen für die Menschen vor Ort.
Ich bin nach wie vor so begeistert von der vorherrschenden Farbenfülle und der Geduld, Freundlichkeit, Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und Fröhlichkeit der Menschen, auch wenn sie oft bettelarm sind. Es ist immer Zeit für ein gutes Wort. Das Lächeln der Einwohner, speziell der Kinder. Unbezahlbar!
„… nach Indien wird man gerufen…“… Ich bin ja schon viel gereist und wage zu behaupten, dass ich schon einiges in meinem Leben erlebt und gesehen habe- aber das letzte halbe Jahr war eine der intensivsten Zeiten, welche ich bisher erleben durften.- In vielerlei Hinsicht. Ich möchte gar nicht näher ins Detail gehen. Es war eine Bereicherung! – so als hätte ich nach „Indien gehen müssen“. – Ich verspürte, ich wurde gerufen…
Ich ziehe weiter, doch viele spannende Projekte warten in Indien (vielleicht auf Dich?)
Sollte jemand Interesse haben als Volontär ins Ausland zu gehen, kann ich SONNE- International nur empfehlen. Für mich persönlich ist es wichtig, dass ich bei Projekten im Ausland, speziell wenn sich diese in entlegeneren Gegenden, oder in der Nähe von politischen/ kulturellen/ soziologischen „Brennpunkten“ befinden, einen verlässlichen Partner an meiner Seite habe.- und den hatte ich!
Es wurde regelmäßiger Kontakt gehalten und gesucht und auf Anfragen prompt reagiert. Es war ein wunderbares, wertschätzendes miteinander! – mit allen Mitarbeitern. Egal ob persönlich bekannt, oder nicht. Dafür bin ich sehr dankbar! Ich möchte mich bei meinen Kollegen vor Ort und beim gesamten SONNE-Team für das Vertrauen und die grandiose Zusammenarbeit von Herzen bedanken.
Viele neue Ideen für weiterführende Projekte in Indien sind vorhanden. Der Spirit ist grandios im Moment. Umso mehr tut es mir leid, dass dies vorerst mein letzter Blogeintrag sein wird, aber aus persönlichen Gründen ist es nun an der Zeit Bodhgaya vorerst zu verlassen. Mit Sicherheit werde ich die Stadt, die Menschen- die Kinder, mein Team und die Arbeit hier vermissen.
Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. – So sag ich mal „Auf Wiedersehen“- sodass es auch so sein möge.