GEMEINSAM in MYANMAR ein Förderzentrum für Straßenkinder bauen.
EIN ZENTRUM – MEHRERE PROJEKTAKTIVITÄTEN
Tagesbetreuung von Straßenkindern, Nachhilfecenter, Ausbildungsstätte, Community Treffpunkt, Gemeinschaftsgarten, Sport und Spielplatz …
… alles unter einem Dach!
Dringlichkeit des Projektes
Myanmar erlebt derzeit ein enormes Wirtschaftswachstum, jedoch profitieren meist nur die Eliten von diesem positiven Aufschwung. Zahlreiche Kinder und Jugendliche fristen in Myanmar ihr Leben unter äußerst prekären Bedingungen auf der Straße und haben keinen Zugang zu öffentlichen Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen. Die Leidtragenden des Wirtschaftsbooms sind die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft, das sind die Menschen und Familien, die nicht am Aufschwung partizipieren können, weil sie unter der Armutsgrenze leben und täglich mit ihrem Überlebenskampf beschäftigt sind.
SONNE-International betreibt seit 2008 mehrere Tagesbetreuungs- und Ausbildungsstätten. Hier werden u.a. Straßenkinder auf die Integration in eine öffentliche Schule vorbereitet und marginalisierte Jugendliche in einem handwerklichen Beruf ausgebildet. Die Standorte müssen jedoch aufgrund der kurzen Mietverträge oft gewechselt werden. Laufend den Standort von Bildungs- und Ausbildungsstätten zu wechseln bedeutet allerdings, die betreuten Kinder und den guten Kontakt zur Gemeinschaft zu verlieren.
So können wir gemeinsam helfen
Derzeit wird in Yangon ein permanentes Förderzentrum errichtet, um einerseits marginalisierten Straßenkindern an einem fixen Standort ein kindgerechtes Umfeld zu bieten und anderseits Jugendlichen langfristig den Zugang zu einer Berufsausbildung zu geben. Das Zentrum wird im Laufe des Jahres 2019 eröffnet werden.
Die Errichtung und der langfristige Betrieb dieses Förderzentrums werden dazu beitragen, dass gefährdete Kinder und Jugendliche durch ein bedarfsorientiertes Förderprogramm (dieses wird nach Fertigstellung dort umgesetzt) zu selbstbewussten, kritisch denkenden und kreativen Kindern und Jugendlichen mit Chancen am Arbeitsmarkt werden. Durch dieses ganzheitliche Förderprogramm (beinhaltet u.a Ernährungssicherheit, primäre Bildung, Berufsbildung und Hygienemaßnahmen) werden multidimensionale Ziele adressiert, um die Vulnerabilität der Zielgruppe wesentlich zu verringern und ihre Resilienz gegenüber ihrer instabilen Lebensbedingungen zu stärken.
Frauenförderung ist uns ein großes Anliegen
Der Fokus unseres Förderprogramms liegt auf besonders vulnerablen Menschen, allen voran Mädchen und Frauen, auf deren Bedürfnisse das Ausbildungsangebot abgestimmt ist, um somit ihre benachteiligte Ausgangslage in ihrem sozialen Umfeld zu verringern und eine nachhaltige Intervention für eine gleichberechtigte und chancenreiche Zukunft zu leisten.
Durch die Errichtung und den Betrieb eines SONNE-Förderzentrums werden Straßenkinder und marginalisierte Jugendliche die Möglichkeit haben, sich in einem kind- und jugendgerechten Umfeld zu entwickeln, um später akzeptierte Mitglieder der Gesellschaft zu werden und erhöhte Chancen auf eine sichere Zukunft zu haben.
Anders als bei der temporären Anmietung eines Objektes wird durch die Errichtung eines adäquaten, qualitativen und erdbebensicheren Gebäudes ein langfristiger Betrieb dieser sozialen Einrichtung ermöglicht.
Das Förderprogramm beinhaltet u.a. non-formelle Bildung, einkommensschaffende Ausbildung, ein Kultivierungsprogramm (zur Ernährungssicherung und Einkommensschaffung), ein Sportprogramm (zur Förderung von Teamplay und Lockerung von ungleichen Geschlechterverhältnisssen), Gesundheits- und Hygieneversorgung. Das non-formelle Bildungsangebot passt sich an die Bedürfnisse der Straßenkinder an und fördert sie vor allem darin, ihre Talente zu erkennen, ihre Kreativität auszuleben und ihre eigenen Stärken zu erkennen. Letztendlich soll das Förderzentrum auch den Familienmitgliedern offen stehen, um etwa zum Bewusstsein von Bildung oder Hygiene beizutragen und um die ganze Community mit einzubeziehen.
Analyse und Problemstellung
Seit ein paar Jahren ist Myanmar im politischen Umschwung und öffnet sich nach außen. Die ehemalige Militärdiktatur hat sich zu einer Demokratie entwickelt, das Land hat sich wirtschaftlich und politisch geöffnet. Es braucht jedoch noch viel Zeit, die Schäden, die während der Zeit der Militärdiktatur (fast 60 Jahre) verursacht wurden, zu beheben. Nach wie vor sind die ehemaligen Militärs in politischen Entscheidungen involviert, sie haben sich ihre Zukunft durch die in der Verfassung niedergeschriebenen fixen Parlamentssitze schon vorab langfristig gesichert. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in den Randgebieten des Landes werden ohne allzu große öffentliche Aufmerksamkeit kontinuierlich weitergeführt. Die Sorgen der Bevölkerung sind allerdings groß, dass die Diktatur zurückkommt oder dass die neuen Entwicklungspläne die armen Dorfregionen nicht berücksichtigen. Vor allem die ärmste, hungrige und einkommenslose Bevölkerungsschicht, die im politischen Umschwung viel Hoffnung gesehen hat, stellt nun immer mehr infrage, ob und wann auch sie etwas von den positiven Veränderungen mitbekommen wird.
Myanmar entwickelt sich zu einer Turbo-Marktwirtschaft. Ein enormer Ansturm von internationalen Unternehmen hat eingesetzt, was die Preise in allen Sektoren und auf allen Ebenen in die Höhe getrieben hat. Nutznießer dieser rasanten Entwicklung sind vor allem die Eliten des wirtschaftlichen und politischen Lebens und die internationalen Großinvestoren, jedoch nicht die einfache Bevölkerung. Die Lebensmittel- und die allgemeinen Lebenshaltungskosten stiegen zum Teil um ein Mehrfaches. Das internationale Interesse an Myanmar ist sehr groß geworden. Doch diese rasante Entwicklung hat ihren Preis: Die Kluft zwischen Arm und Reich ist so groß wie noch nie, die Aussichtslosigkeit der armen Bevölkerung ist weiterhin erschreckend. Trotz der gegenwärtigen Entwicklung darf nicht vergessen werden, dass Myanmar noch immer zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt gehört und an der 148. Stelle des Human Development Index (HDI) gelistet ist.
Die oben beschrieben Situation hat einige Probleme verstärkt, wie etwa das Phänomen der Straßenkinder oder auch die illegale Besiedelung in Form von Slums am Stadtrand und auf freien Flächen. Die Vulnerabilität von Straßenkindern ist sehr hoch. Vor allem Mädchen oder auch Kinder mit Behinderungen erfahren multiple Marginalisierungen. Aufgrund schwieriger familiärer Situationen laufen Kinder von ihrem Zuhause weg und leben auf der Straße. In vielen Fällen haben die Eltern nicht die finanziellen Mittel, ihre Kinder in eine öffentliche Schule zu senden. Abgesehen von den Kosten, die beim Schulbesuch entstehen, verlieren die Familien das zusätzliche Haushaltseinkommen, das oftmals von den Kindern durch kleine Arbeiten auf der Straße (v.a. Betteln, Müllsammeln) dazuverdient wird.
Viele Familien sehen sich daher gezwungen, ihre Kinder auf die Straße zu schicken. Formelle Bildung ist zwar seit 2016 rein theoretisch kostenlos, jedoch scheitert es neben den laufenden Kosten (u.a. Schulmaterialien, Uniform, Essen, etc.) oft daran, dass die Kinder keine Geburtsurkunden besitzen und ihnen somit die rechtliche Voraussetzung zur Schuleinschreibung fehlt. In Yangon und Umgebung gibt es noch sehr viele Straßenkinder und es fehlt an Initiativen der Regierung, diese zu fördern und in die Gesellschaft zu integrieren.
Aufgrund unzähliger weiterhin anhaltender kriegerischer Auseinandersetzungen innerhalb des Landes, vor allem in den grenznahen Regionen, und den daraus resultierenden nationalen Flüchtlingsströmen (IDPs-Internal Displaced People) kommt es unter den Minderheiten des Landes zu einer verstärkten Landflucht aus den krisenreichen ländlichen Regionen in Richtung Yangon bzw. in die großen Städte Myanmars. Die meisten dieser Land- und Kriegsflüchtlinge haben in den großen Vororten der Städte Zuflucht gefunden, wo slumähnliche Zentren entstanden. In diesen Zonen ist die Armut und Perspektivlosigkeit sehr groß und äußert sich in Drogen- und Alkoholsucht, Obdachlosigkeit, familiärer Gewalt und Prostitution. Dabei handelt es sich sehr oft um Haushalte mit nur einem (zumeist komplett überforderten) Elternteil. In der Regel sind dies Alleinerzieherinnen mit mehreren Kindern.
Der Bildungssektor in Myanmar wurde unter dem Militärregime besonders stark vernachlässigt und wird sich noch lange nicht erholen. Grundschulbildung ist an sich kostenlos in Myanmar, jedoch sind die Kosten für Transport, Schulmaterialien, Schulkleidung, Versorgung so hoch, dass sich viele Menschen einen Schulbesuch ihrer Kinder nicht leisten können. Juni 2016 wurde eine allgemeine Grundschulpflicht dekretiert. Eine Pflicht, der viele aufgrund von fehlenden Dokumenten, fehlendem Zugang und vor allem mangelnden finanziellen Ressourcen nicht nachkommen können. Klosterschulen decken dies in einem kleinen Rahmen ab, indem sie eine Schule mit Versorgung bieten. Diese Schulen sind jedoch abhängig von Spenden und haben daher oftmals nur marginal ausgestattete Räumlichkeiten und auch unqualifiziertes Lehrpersonal. Myanmar ist eines der Least Developed Countries; etwa ¼ der burmesischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Laut der WHO liegt die Säuglingssterblichkeitsrate bei 75 von 1.000 Geburten, 39 % der unter 5-Jährigen leiden an Unterernährung und nur 40 % haben Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Zielgruppe
Benachteiligte und gefährdete Kinder und Jugendliche (6-18 Jahre), die unter der Armutsgrenze leben und keinen Zugang zu einer formellen Schulbildung haben oder aufgrund der erschwerten Lebensverhältnisse aus der Schule ausgeschieden sind, wie zum Beispiel Kinder aus Familien, die aufgrund von Armut in die Stadt gezogen sind und sich nun am Stadtrand in Hütten angesiedelt haben oder Mädchen und junge Frauen, denen aufgrund sozialer Verhältnisse (Aus-)Bildungschancen verwehrt bleiben.
Viele Eltern sind nicht in der Lage, all ihren Kindern eine kindgerechte Entwicklung zukommen zu lassen. Viele Kinder werden auf die Straße geschickt, um selbst Einkommen zu erwirtschaften, sie müssen zum Hungerlohn und unter gefährlichen Bedingungen in Fabriken arbeiten oder sie flüchten von zu Hause, um in den Straßen ein besseres Leben vorzufinden.
Ein Großteil der Kinder muss zum Haushaltseinkommen beitragen, was sie daran hindert, in die Schule zu gehen. Als gängige Einnahmequellen für diese Kinder gelten das Sammeln von Müll und Plastikflaschen, das Verkaufen von Kleinod, die Arbeit in Fabriken und Tee-Shops, aber auch Kleinkriminalität und Prostitution. Vor allem Mädchen und junge Frauen sind verstärkt gefährdet, viele prostituieren sich, um Geld zu verdienen. Die Regierung sieht sich aufgrund der hohen Zahl von Straßenkindern nicht in der Lage, selbst ausreichend geeignete Maßnahmen gegen diese Problematik zu ergreifen. Kinder in Myanmar dürfen offiziell ab 13 Jahren arbeiten, jedoch sehen sich viele schon im Alter von 5-6 Jahren gezwungen, ihren Eltern bei deren Arbeit zu helfen. Viele Fabriken ignorieren das (ohnehin schon viel zu tief angesetzte) erlaubte Arbeitsalter und stellen Kinder im Alter von nur 9 oder 10 Jahren an. In diesen Fabriken arbeiten sie am Fließband und haben oft mit gesundheitsschädlichen Stoffen zu tun.
Es hat sich gezeigt, dass sich Kinder, die auf der Straße leben oder schon sehr früh in ein gefährliches Arbeitsumfeld geraten, deutlich von normalen Kindern unterscheiden. Wesentliche Aspekte sind hier das reduzierte Sicherheitsdenken sowie das geringe Vertrauen anderen Menschen gegenüber. Der harte tägliche Kampf ums Überleben erfordert eine andere Strategie als bei Kindern, die in einem geborgenen Familienumfeld aufwachsen. Die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung und sprunghafte Entscheidungen sind bei Straßenkindern das zentrale Element des Überlebens. Das „Warten auf bessere Zeiten“ oder das „sich freuen auf etwas“ gilt hier nicht, denn nur wer auf der Straße rasch handelt, hat gute Chancen, einen „guten Job“ zu bekommen bzw. schnell etwas Geld zu machen.
UPDATE: Im Oktober 2019 war das Förderzentrum fertiggestellt und wir konnten es feierlich eröffnen. Einen Bericht und Bilder davon finden Sie hier.
Das Bauvorhaben wird u.a finanziert von: